Apokalypse – Tanz den Untergang mit mir

„Tanz den Untergang mit mir“ kann man als gesprühten Schriftzug am Nettelbeckplatz sehen, dort wo die S-Bahn über die Brücke zum S-Bahnhof Wedding fährt.

Auffallend ist hier neben dem gedanklichen Inhalt der Botschaft die ungewöhnliche Platzierung des Spruchs. Haben der oder die Autor(en) für das Besprühen dieser städtischen Oberfläche eine Leiter mitgebracht? War die Stelle in der Vergangenheit über ein ein Gerüst zu erreichen? Schwebten gar Engel dort und besprühten die Wand, um ihre Schutzbefohlenen zum vergnügten Tanz in den Abgrund des bevorstehenden Weltuntergangs aufzufordern?

Inhaltlich gesehen weckt der Schriftzug „Tanz den Untergang mit mir“ bei einigen Lesern Erinnerungen an die Erzählungen von der Stimmung, die zwischen den beiden Weltkriegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts herrschte, oder auch an die Stimmung im alten Rom, als sich der Untergang des Imperiums ankündigte und die Bürger Roms in Dekadenz versanken, oder an die Szenen, die sich in der Bevölkerung des von der Pest geplagten Europas abspielten. Allgemein: Angesichts des bevorstehenden Untergangs erwacht mit ungestümer Kraft der Wunsch nach einem letzten Vergnügen, angesichts des Todes will der Mensch noch einmal voller Genuß leben.

Wunder in der Berliner U-Bahn

An der U-Bahnhaltestelle Bernauer Str. der Linie 8, die zwischen Wittenau und Hermannstrasse verkehrt, befindet sich dieser auf die Kacheln gesprühte Schriftzug: „Wonders“ (deutsch: Wunder).  Er stellt bereits eine Mischform von reinem Graffity, worunter wir hauptsächlich grafisch ausgerichtete Beteiligungen an der Gestaltung des Stadtbildes verstehen, und einfachen, verbale Informationen betonenden Schriftzügen dar.

Die Verfasser dieser Botschaft riskieren Anzeigen wegen Sachbeschädigung. Für Mitbürger, deren Anzeigen eines solchen als Vandalismus bezeichneten Handelns zur Ergreifung des oder der „Täter“ führt, setzen die Berliner Verkehrsbetriebe Belohnungen aus. Dennoch erscheinen Manifestationen dieser Art der relativ friedlichen Auflehnung gegen die Zustände und Beitzverhältnisse in der modernen Welt und in ihren Städten immer wieder.
Interessant erscheint, dass diese Art von Beschriftungen und Bemalungen regelmäßig vom Personal der BVG entfernt werden, dieser Schriftzug nun aber bereits einige Monate (Stand: April 2017) lang an der Haltestelle Bernauer Str., in deren Nähe sich der beliebte Mauerpark sowie die Gedenkstätte Berliner Mauer befinden, zu betrachten ist.

Sucht man einen bestimmten Sinn in der verbalen Nachricht „wonders“ (Wunder) so bieten sich mehrere Auslegungen an. Es könnte sich sogar lediglich um die „Unterschrift“, die Signatur eines Graffity-Künstlers handeln, der Verfasser könnte auf die mögliche Unterbrechung der Alltäglichkeit durch unvorhergesehene Ereignisse, durch Wunder, hinweisen wollen. Hier bleibt der Beitrag zur Gestaltung der Öffentlichkeit rätselhaft, ein Umstand, an den man sich gewöhnen muss, wenn man die Beschriftungen der Oberflächen des städtischen Raums betrachtet.